Historisches Gebäude - das erste Reichswaisenhaus

Schon immer wussten Menschen um diesen wunderschönen Ort am Altvater mit Blick auf Lahr und bis ins Elsaß hinein. An diesem Ort wurde eine Villa aus dem hiesigen Sandstein erbaut, welche 1855 als Seidenpalast bezeichnet wurde, da der Lahrer Eisenwarenhändler Meurer hier eine Seidenraupenzucht begonnen hatte. 1870 wurde die Villa an den Bremer Kaufmann Karl Bernhard Fallenstein verkauft. Nach seinem Tod rief Albert Bürklin, der Redakteur des "Hinkenden Boten" zum ersten Mal die Bevölkerung zu Spenden auf, um in dieser Villa das erste Reichswaisenhaus entstehen zu lassen.

Die Spendenidee: Nach dem Vorbild eines Berliner Wohltätigkeitsvereins sollten aus dem Erlös von gesammelten, nicht verrauchten aber "gebrauchten" Zigarrenspitzen, Wohltätigkeitsgelder zusammenkommen, die in ihrer Summe ausreicht, um Kindern ohne Eltern am Altvater eine Zuhause zu geben. 

1877 wird in ganz Deutschland mit dem Werbeslogan: "Alle müssen mittun und zusammen halten, so aber machen viele Wenig ein Viel", aufgefordert sich an der Spendenaktion und Idee des Reichswaisenhauses zu beteiligen.

Doch die Idee schreibt zunächst keine Erfolgszahlen. Oft war das Porto, für die Päckchen teurer als der Erlös des Inhalts. Mit einer wahren, rührigen Geschichte vom  "armen Lieschen" erweitern sich die Spendengüter auf Briefmarken, Zündholzschachteln oder Metallhülsen von abgeschossenen Patronenhülsen. Im Jahr 1879 umfasste die Spendensumme bereits 4078 Mark. Neue Sammelgüter kamen hinzu: Lumpen, Papierschnitzel, Knochen, Glasscherben, Stanniol- oder Bleikapseln, Wein- und Weinflaschen uvm. Das war Recycling für einen guten Zweck. 1880 unterstützte die "Reichsfechtschule" aus Magdeburg unter Heinrich Nadelmann die Idee. "Fechten" wird hier verstanden als "Erbetteln". Diese Fechtschule beteiligt sich am Entstehen des ersten deutschen Reichswaisenhauses in Lahr mit 200.000 Mark. Weitere Reichswaisenhäuser nach der Idee von Bürklin und Schauenburg entstehen in Magdeburg und Schwabach. 1882 wird das Anwesen der Vorbesitzer Fallenstein mit 40.000 Mark erworben und zur Nutzung für 100 Waisenkinder aufgestockt und umgebaut. Am 25.05.1885 wird in Lahr am Altvater, das erste deutsche Reichswaisenhaus eingeweiht. Noch heute gedenken wir an diese Gründung mit der Tafel an unserer Eingangstür.